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Geschichten


Man findet nur das was man erwartet

Es war einmal ein Mann, der wohnte nahe einer Oase, im Einzugsbereich einer Stadt im mittleren Orient.

Ein junger Mann näherte sich ihm und fragte ihn:

»Ich war noch nie hier. Wie sind die Leute, die in dieser Stadt leben?«

Der alte Mann antwortete auf seine Frage:

»Wie waren die Leute in der Stadt, aus der du kommst?«

»Egoisten und Bösewichte. Das ist übrigens der Grund, weshalb ich sehr zufrieden war, dass ich abreisen konnte.«

»Du wirst hier die gleichen finden«, antwortete ihm der alte Mann.

Ein wenig später näherte sich ein anderer junger Mann und stellte ihm die gleiche Frage:

»Ich komme gerade hier an. Wie sind die Leute, die in dieser Stadt leben?«

Der alte Mann antwortete wieder gleich:

»Sage mir, mein Junge, wie waren die Leute in der Stadt, aus der du kommst?«

»Sie waren gute Leute, wohlwollende, bewillkommnende und ehrbare. Ich hatte dort zahlreiche Freunde und es tat mir sehr leid, als ich sie verließ.«

»Du wirst die gleichen hier finden«, antwortete ihm der alte Mann.

Ein Kaufmann, der seine Kamele tränkte, hatte beiden Gespräche mitgehört.

Nachdem der zweite junge Mann sich entfernte, wandte er sich tadelnd an den Alten:

»Wie kannst du zwei ganz verschiedene Antworten auf die gestellte Frage der beiden Personen geben?«

“Mein Sohn«, sagte der alte Mann, »jeder trägt sein Universum in seinem Herzen. Derjenige der von einem Ort kommt an dem er nichts Gutes in der Vergangenheit gefunden hat, wird auch hier nichts Gutes mehr finden.

Dagegen wird derjenige, der in der anderen Stadt viele Freunde hatte, auch hier willige und treue Freunde finden.

Denn, sieh, die Leute sind gegenüber uns das, was wir in ihnen zu finden glauben.«

Erzählung aus Burkina Faso


Das Geheimnis der Zufriedenheit

Es kamen einmal ein paar Suchende zu einem alten Zenmeister.

“Herr”, fragten sie “was tust du, um glücklich und zufrieden zu sein? Wir wären auch gerne so glücklich wie du.”

Der Alte antwortete mit mildem Lächeln: “Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich und wenn ich esse, dann esse ich.”

Die Fragenden schauten etwas betreten in die Runde. Einer platzte heraus: “Bitte, treibe keinen Spott mit uns. Was du sagst, tun wir auch. Wir schlafen, essen und gehen. Aber wir sind nicht glücklich. Was ist also dein Geheimnis?”

Es kam die gleiche Antwort: “Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich und wenn ich esse, dann esse ich.”

Die Unruhe und den Unmut der Suchenden spürend fügte der Meister nach einer Weile hinzu: “Sicher liegt auch Ihr und Ihr geht auch und Ihr esst. Aber während Ihr liegt, denkt Ihr schon ans Aufstehen. Während Ihr aufsteht, überlegt Ihr wohin Ihr geht und während Ihr geht, fragt Ihr Euch, was Ihr essen werdet. So sind Eure Gedanken ständig woanders und nicht da, wo Ihr gerade seid. In dem Schnittpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft findet das eigentliche Leben statt. Lasst Euch auf diesen nicht messbaren Augenblick ganz ein und Ihr habt die Chance, wirklich glücklich und zufrieden zu sein.”

Quelle unbekannt


Die Tochter des Rabbi

Ein Rabbi hatte eine Tochter, sie war den Blumen gleich an Schönheit. Als sie zur Frau erblüht war, machte er sich große Sorgen um sie. Gerne hätte er sie vor der Schlechtigkeit der Welt bewahrt, die sich oft wie Reif auf junge Blüten senkt. Darum rief er sie in sein Zimmer und klärte sie auf über die Gemeinheiten dieser Welt und die Hinterlist der Männer insbesondere. Er sprach: “Herzallerliebste Tochter, erinnere dich stets daran, was ich dir jetzt sage. Die Männer sind schlecht. Alle wollen immer nur das eine. Dabei gehen sie klug zu Werke und du merkst gar nicht, wie schnell du dich dem Abgrund näherst und in die Tiefen der Begierden stürzt. Ich will dir zeigen, wie gewöhnlich der Weg ins Verderben verläuft. Zuerst macht dir ein Mann schöne Augen und schaut dich mit verliebten Blicken an. Er ist begeistert von deiner Schönheit und deinen klugen Worten. Er preist in zarten Flötentönen, wie großartig du bist, einmalig in dieser Welt. Dann lädt er dich ein, mit dir tanzen zu gehen. Unterwegs kommt er an seinem Haus vorbei und er erklärt dir, dass er nur noch schnell seinen Mantel holen will. Er fragt dich scheinbar ganz harmlos, ob du ihn begleiten möchtest. In seiner Wohnung angekommen, lädt er dich zum Sitzen ein, er bietet dir eine Tasse Kaffee an, ihr hört gemeinsam Musik und dann plötzlich fällt er über dich her. So bringt er Schande über dich, bringt Schande über uns, deine Mutter und mich. Unsere ganze Familie ist geschändet, deine Großeltern, deine Brüder, deine Schwestern, alle Onkel und Tanten. Unsere Ehre ist dahin!”

Die Tochter des Rabbis nahm sich die Worte des Vaters sehr zu Herzen. Einige Wochen später trat sie voller Stolz vor ihren Vater und sagte: “Liebster Vater, ich wusste gar nicht, dass du ein Prophet bist. Woher wusstest du, dass alles so eintreffen würde, wie du vorhergesagt hast? Zuerst hat er Wunderbares über meine Schönheit und meine klugen Reden gesagt. Dann hat er mich eingeladen, mit ihm auszugehen. Zufällig kamen wir an seinem Haus vorbei. Er hat seinen Mantel vergessen und da es kalt war und er mich nicht allein lassen wollte, nahm er mich mit in seine Wohnung. Er hat mir höflich eine Tasse Kaffee angeboten und wunderbare Musik abspielen lassen. Da dachte ich an deine warnenden Worte und ich ahnte, was jetzt passieren würde, aber du wirst sehen, ich bin deine treue Tochter und habe die Würde der Familie gewahrt. Als ich fühlte, dass der Augenblick kommen würde, bin ich über ihn hergefallen und habe Schande über ihn gebracht, ich habe seine Eltern, seine ganze Familie, seine Großeltern, seine Brüder, seine Schwestern, alle seine Onkel und Tanten geschändet. Sein guter Ruf und seine Ehre sind dahin!”

Quelle unbekannt


DIE GESCHICHTE VON ZWERGEN UND RIESEN

Lass dich von mir in ein märchenhaftes Land entführen - es wird dir gut tun und dir wird einiges klar werden! Dort findest du eine Landschaft mit hohen Bergen und tiefen Schluchten, Felsbrocken, kleineren Seen, aber auch wunderschönen Blumenwiesen. In diesem Land leben Zwerge und Riesen die eine auffällige Eigenschaft besitzen, sie wachsen wenn sie sich zügig und zielgerichtet bewegen. So werden aus Zwergen Riesen, wodurch sie noch mehr bzw. weiter sehen und sich gezielter bewegen können. Sie überblicken große Bereiche der Umgebung, springen locker über Felsen und übersteigen sogar Berge mit einem Schritt. So gezielt voranzukommen lässt sie noch schneller wachsen, macht ihnen Freude und stärkt ihren Glauben an sich selbst. Es scheint so als könnte sie niemand aufhalten aber das Leben in dieser unübersichtlichen Landschaft ist nicht ungefährlich und leicht kann man in eine Sackgasse geraten, den Überblick verlieren oder sich zu lange verbummeln. Wer sich nicht mehr ausreichend orientieren kann, beginnt leicht auf der Stelle zu treten oder sich im Kreis zu drehen und fängt auch schon an zu schrumpfen! Wer schrumpft verliert leicht den Überblick, kommt immer langsamer vorwärts. Felsen die er vorher übersprang, müssen nun mühsam überklettert werden. Je mehr er schrumpft, umso schwieriger und mühsamer wird es, sich zielgerichtet und flüssig zu bewegen. Schrumpfen tut weh und macht Angst und so geraten die Zwerge leicht in Panik, laufen Zickzack umher und hocken schlussendlich verzweifelt und mutlos am Boden - einer tiefen Schlucht. Oft genug wollen sie der Situation gar nicht ins Auge sehen, stecken den Kopf in den Sand und denken es wird schon alles besser werden oder jemand wird sie auf wundersame Weise retten.

Ein Außenstehender mit gutem Überblick sieht natürlich sofort, dass die Situation gar nicht so hoffnungslos ist und sagt: „Ich spüre du bist verzweifelt, alles dreht sich in deinem Kopf aber wisse - niemand in diesem Land wird ein für alle mal als Zwerg oder Riese geboren oder muss immer ein Zwerg bleiben! Alles was du zum Wachsen brauchst, trägst du in dir, du hast nur vergessen was du tun musst und aufgehört an dich zu glauben. Wachsen hat mit zielge¬richtetem Handeln zu tun und damit, dass du vorerst mit Babyschritten zufrieden bist. Beginnst du einmal, in Minischritten zu laufen, so fängst du auch schon zu wachsen an. Der Schmerz lässt langsam nach und Wachstum sowie Bewegung beginnen dir Freude zu machen. Was dir im Gegensatz zu den Riesen fehlt ist der Überblick und so brauchst du anfangs eine Landkarte, einen Plan und Wissen über die Situation. Hektik und zielgerichtetes Handeln schließen sich gegenseitig aus, Werkzeuge die für gezieltes, erfolgreiches Handeln nötig sind wirst du aufbauen und mehrere unterschiedliche Tankstellen an denen du Energie auftanken kannst solltest du dir einrichten. Hol dir die nötige Hilfe die du dafür brauchst – manchmal ist das ein Begleiter der den Überblick hat und mit dir in Minischritten Ziele angeht, ein Buch oder eine Gruppe in der es dir gut geht. Sobald du merkst, wie du wieder ins Laufen kommst wird alles leichter, aber anfangs ist es sehr anstrengend und verlangt viel Energie, Mut und Durchhaltevermögen. Auf deinen künftigen Wegen, nütze jede Gelegenheit dich zu erfreuen – ob an einem See, an Blumenwiesen oder einem lieben Menschen. Wenn ein Schritt nicht gleich in die gewünschte Richtung geht oder du Mist baust, akzeptiere dich und lerne dich zu lieben!“ So wirst auch du wieder ein Riese, denn mit diesen tollen Möglichkeiten wurdest du geboren.

Nach Dietmar Hansch